Das japanische Wirtschaftswunder war nach dem Zweiten Weltkrieg noch etwas spektakulärer als das deutsche. Vom Beginn des Wiederaufbaus bis 1974 wurden in Japan jährliche Wachstumsraten von teilweise deutlich über 10 Prozent generiert. Eng mit diesem anhaltenden Nachkriegsboom, der ähnlich wie in den Ländern des Westens mit der Ölkrise endete, war der Siegeszug der Autoherstellers Toyota verbunden.
Ähnlich wie der Fordismus in den USA markierte der Toyotismus in Japan eine Art eigenes Wirtschaftssystem, das pars pro toto nach einem Autokonzern benannt wurde. Hier wurden viele fortschrittliche japanische Managementsysteme wie Kaizen geprägt, die noch heute einen großen Einfluss auf Wirtschaftsstrategen in der ganzen Welt haben. Zurecht, denn die agilen Managementsysteme aus Fernost sind Systeme von Siegern für Sieger. Ihre Erfolgskonzepte haben sich in der harten Praxis bewährt.
Wofür steht das Managementsystem?
Die Kaizen-Methode wurde in den Werkshallen Toyotas entwickelt. Der Leitfaden des japanischen Wirtschaftstheoretikers Masaaki Imai Kaizen – Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb aus dem Jahre 1986 wurde in der ganzen Welt vermarktet und avancierte auch im Westen zum Bestseller.
Kaizen bedeutet übersetzt Veränderung zum Guten. Das Managementsystem steht für eine Kultur ständiger Verbesserungen, worauf auch das deutsche Synonym Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) hinweist. Kernelement von Kaizen ist der Leitgedanke, dass auch kleine Veränderungen mit der Zeit eine große Wirkung entfalten können.
Jeder Zyklus muss besser sein als sein Vorgänger
Basis der ständigen Veränderungen sind standardisierte Abläufe, da nur dann, wenn Prozesse klaren Regeln unterworfen sind, über diese hinausgegangen werden kann. Die Abläufe selbst sind inkrementell, das heißt, sie erfolgen schrittweise und bauen aufeinander auf. Nach jedem PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) beginnt derselbe Zyklus wieder von vorn. Geeignete Verbesserungen werden in den neuen Zyklus integriert. Der Standard ist somit nicht statisch, sondern dynamisch und wird nach jeder positiven Veränderung neu justiert – ob mit oder ohne Einsatz von KI.
Wichtige Leitideen von Kaizen
Die nach den Maßstäben von Kaizen geschulten Mitarbeiter lassen sich bei ihrer täglichen Arbeit vom Doppelprinzip der minimalen Verschwendung einerseits und der maximalen Wertschöpfung andererseits leiten. Das Konzept ist kooperativ, denn um die angestrebten ständigen Verbesserungsprozesse zu ermöglichen, wird jeder einzelne Mitarbeiter unabhängig von seiner betrieblichen Position dazu ermuntert, jederzeit seine Ideen zum Gelingen des großen Ganzen einzubringen. Aus Ideen können Innovationen werden, die nach Kaizen-Auffassung Lokomotiven des Fortschritts sind. Das vierteilige Kaizen-Board, auf dem Ideen eingetragen werden sowie die drei Zustände do, doing und done verzeichnet werden, wird an prominenter Stelle im Betrieb platziert.
Der Werkzeugkasten von Kaizen
Kaizen gilt trotz seiner Wurzel aus der Zeit des japanischen Wirtschaftswunders in den Toyota-Werken nicht als Erfindung eines Einzelnen, sondern viele kluge Köpfe haben das ganzheitliche Konzept entwickelt und feilen auch heute noch an seiner Optimierung. So ist das System der ständigen Weiterentwicklung passend zu seinem Leitmotiv zugleich ein System, das sich selbst ständig weiterentwickelt. Reichhaltig ist deshalb der Werkzeugkasten, der immer neue Tools enthält, die mit dem Managementkonzept verbunden werden. Einige der bedeutendsten Werkzeuge von Kaizen sind die folgenden:
- 5S: sortieren, sinnvoll anordnen, Sauberkeit, Standardisieren, Selbstdisziplin
- 3-Mu-Checkliste: Muda: Verschwendung, Muri: Überlastung, Mura: Abweichungen vom Standard
- 6W: 6 Fragen (Wer, was, wo, wann, warum, wie) zur Analyse von Prozessen
- Ishikawa-Diagramm: Abbildungen von Ursache-Wirkungsprinzipien zur Aufdeckung von Fehlern nach den Kategorien Mensch, Material, Maschine, Methode
Verantwortung des Managements
Zwar ist Kaizen wie auch Six Sigma ein Paradebeispiel des Lean-Managements, das auf flache Hierarchien und die Aktivierung des Einzelnen angewiesen ist. Dennoch kommt dem Management bei der Implementierung des Frameworks eine besondere Bedeutung zu. Der Theoretiker Masaaki Imai weist der Unternehmensführung hierbei eine Strahlkraft zu, die auf die ganze Belegschaft abfärbt. Einzelne Mitarbeiter können diese Impulse nicht freisetzen. Der Stein muss vom Management ins Rollen gebracht werden, damit alle Beschäftigten die Kaizen-Philosophie verinnerlichen, welche die Rolle des einzelnen Mitarbeiters stärkt, ihm aber auch viel abverlangt.